Mariusz Turkiewicz
Online Marketing Manager
St.Benno Verlang
Marketing ist tot. Es lebe das Marketing!
"Die wesentlichen Chancen und Risiken von Big Data im Hinblick auf die Auswahl der richtigen Marketing-Maßnahmen in der digitalen Welt."
Das moderne Marketing bietet immer mehr Möglichkeiten, mit denen die Kunden zielgenau erreicht werden können. Unter diesen Umständen ist nicht eine möglichst breite Nutzung vieler und verschiedener Werkzeuge, sondern eine präzise Auswahl und gründliche Ressourcenplanung erfolgsversprechend. Big Data, soziale Netzwerke und die hohe Anzahl sowohl der messbaren Leistungskennzahlen als auch der unbekannten Variablen bergen gleichzeitig Chancen und Risiken, die entdeckt und abgewogen werden müssen. Entscheidungsfindung im Zeitalter der uneingeschränkten Möglichkeiten Dank der digitalen Revolution werden Online Marketer immer mächtiger. Der Spruch von Henry Ford: „Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte“, gilt nicht mehr, denn im Online-Marketing lässt sich beinahe alles messen. Und jeden Tag ein bisschen mehr. Beste Voraussetzungen für blühende Land-schaften im Geschäftsleben, könnte man meinen. Big Data - also in diesem Fall große Mengen an Kundendaten, die täglich gesammelt werden - ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen. Das Zeitalter der digitalen SammlerDaten bieten für Marketer einen großen Vorteil. Sie helfen, den Kunden besser zu verstehen, seine Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen und auf diese gezielter einzugehen. Es ist durchaus verständlich, dass bei den unzähligen Möglichkeiten zur Datensammlung, diese auch fleißig genutzt werden. Es gibt ein Gefühl der Sicherheit, Daten zu besitzen, denn diese stellen aktuell das wertvollste Gut des Unternehmens und einen kostbaren Schatz für je-den Marketing-Experten dar. Dabei sollten Marketer jedoch unbedingt die Frage der Effizienz im Blick behalten. Die Verantwortlichen sollten ab-wägen, ob sie es sich leisten können, alle möglichen Daten zu sammeln. Denn diese haben im Zweifelsfall auch ein Mindesthaltbarkeitsdatum. Eine E-Mail-Adresse kann nach zwei Jahren nicht mehr ohne Weiteres gebraucht werden, wenn in diesem Zeitraum kein Kundenkontakt stattgefunden hat. Gerade wenn die Datensammlung mit manuellen Vorgängen verbunden ist, sollten die Unternehmer auf das Verhältnis zwischen Auf-wand und Nutzen achten. Die erste Frage sollte also zu der Erkenntnis führen, ob die zu sammeln-den Informationen direkt im Anschluss an den Archivierunsvorgang genutzt werden können oder nicht. Bei unvergänglichen Daten wie Geburtsdatum, Kaufhistorie oder Besucherstatistiken des eigenen Internetauftritts macht die Speicherung in jedem Fall Sinn. Wenn jedoch die Überlegungen im Raum stehen, ob Daten aus der Google Search Console oder aus der shopinternen Suche fortlaufend gespeichert werden sollen, dann darf es nicht bloß als l‘art pour l‘art enden. Denn solche Informationen werden meistens für die laufende Optimierung benötigt – ob für den vorhandenen Content oder um das eigene Sortiment für die Kunden zugänglicher zu gestalten – und brauchen in der Regel keinen historischen Vergleich. Auch wenn das Herunterladen einer CSV-Datei nur zwei Klicks kostet: Sollten die Daten im Anschluss in einen nie endenden Dornröschenschlaf fallen, hat der Marketer definitiv zwei Klicks zu viel gemacht. Selbstverständlich gibt es Tools und Möglichkeiten, die Archivierung solcher Daten weitestgehend fortlaufend automatisiert zu gestalten. Auch hier kosten aber die Auswahl des richtigen Mittels und die Ersteinrichtung Zeit und Geld. Und sollten die Informationen dann doch nicht genutzt werden, ist es auf jeden Fall eine Ressourcenverschwendung, die die Effektivität senkt und eine Entscheidungsfindung zusätzlich erschwert. Denn immer größere Datenmengen erhöhen die strategische Komplexität und machen es schwerer, einen klaren Blick zu behalten. Lieber clever sammeln, als sich zu Tode sammeln: Im ersten Schritt soll jeder Marketer im Vorfeld unbedingt abwägen, ob und wofür er die Daten wirklich braucht. Geht Online-Marketing auch ohne Glaskugel? Ein Online-Marketing-Manager von heute muss vor allem flexibel bleiben. Er ist ein Analyst, ein Stratege, ein Macher. Aber manchmal scheint er auch Visionär, Hellseher und Zauberer sein zu müssen. Denn die Komplexität der einzelnen Online-Marketing-Disziplinen macht es – trotz der großen Anzahl messbarer Leistungskennzahlen – in vielen Fällen paradoxer-weise unmöglich, eine im wissenschaftlichen Sin-ne fundierte Entscheidung zu treffen. Ein Restrisiko bleibt immer und vieles kann nur empirisch ergründet werden, ohne Garantie auf Kausalität. Das macht aber vielleicht das Online-Marketing auch so spannend! Selbst im Bereich der Suchmaschinenoptimierung gibt es vermutlich über 250 verschiedene Faktoren, die das Ranking in den Suchmaschinen in verschiedenen Gewichtungen beeinflussen. Bei dieser Menge grenzt es an ein Wunder verlässliche Zusammenhänge feststellen zu können. Erschwerend kommt noch die Tatsache hinzu, dass die Online-Welt ein umfassendes und offenes System ist, das sich ständig verändert. Zusätzlich bleiben die meisten Variablen ein Betriebsgeheimnis desjenigen, der die Infrastruktur zur Verfügung gestellt hat (im Fall der Suchmaschinenoptimierung ist es in europäischen Breitengraden meistens Google), was eine gründliche Analyse beinahe unmöglich macht. Viel-leicht werden aus diesem Grund nach wie vor Maßnahmen bevorzugt, die bekannt, stabil und risikoarm sind, obwohl manche von ihnen bereits vor einigen Jahren für tot erklärt wurden wie zum Beispiel E-Mail-Marketing oder Suchmaschinenoptimierung. Als es vor wenigen Jahren immer klarer wurde, dass sich der Alghorithmus von Google immer stärker in Richtung künstliche Intelligenz entwickelt, befürchteten einige das Ende des SEO-Zeitalters. Wenn die Suchmaschine immer intelligenter wird, wird sie auch gleichzeitig immer resistenter gegen schlaue Tricks vieler Optimierer wie plumpes Linkbuilding durch Einträge in Webkatalogen oder aggressive Textanpassung im Hinblick auf die Keyworddichte in Höhe von drei bis fünf Prozent. Kurz darauf ist das Prinzip der holistischen Betrachtung bei der Content-Erstellung in Mode gekommen. Diese Theorie besagt, dass vor allem eine ganzheitliche und möglichst umfassende inhaltliche Textbearbeitung für den Erfolg bei den Nutzern und gute Rankings in den Suchmaschinen verantwortlich sein werden. Viele haben sich dann gefragt: Wozu brauche ich noch SEO, wenn eine gründliche Recherche für den perfekten Text ausreicht? Die SEO-Branche überlebte trotzdem. Viele SuchmaschinenZauberer verwandelten sich in Content-Experten und bei den klassischen Optimierungsmaßnahmen fand ein Umdenken statt, sodass sie intelligenter wurden. Die Keyworddichte löste die WDF*IDF-Analyse ab und es kommen immer neuere Technologien hinzu, beispielsweise Word2vec. Dieses Framework verwandelt einzelne Wörter in ein neuronales Netz aus Wortvektoren, die vor allem in der maschinellen Sprachverarbeitung Verwendung finden kann. E-Mail-Marketing schien eben-falls noch vor Kurzem im Licht der auf dem Markt aufgehenden Kommunikationskanäle wie FacebookMessenger, WhatsApp oder Slack zwangsläufig auf ein Abstellgleis zuzusteuern. Viele prophezeiten der altbekannten E-Mail – ähnlich wie der SMS – ein baldiges Ende, vor allem wegen verhältnismäßig geringer Effektivität in der Handhabung und eingeschränkter Interaktionsmöglichkeiten. Auch hier hat sich gezeigt: Totgesagte leben länger. Dieser Kanal musste zwar reformiert werden, um überleben zu können. Das NewsletterMarketing wurde innovativer, persönlicher, dynamischer und es wird noch lange nicht abdanken. Und es ist nichts daran falsch, altbekannte und bewährte Kanäle zu nutzen, solange sie funktionieren. Und sie funktionieren nach wie vor prächtig und bieten sowohl dem wenig experimentierfreudigen Marketer als auch dem sich gerne in Sicherheit wähnenden Kunden einen guten Kommunikationsspielraum. Beide Seiten kennen das Medium gut und müssen kein oder nur ein geringes Risiko bei der Nutzung eingehen. Das stärkt das Vertrauen und sorgt für stabile Verhältnisse. Der Fokus sollte jedoch nicht allzu beharrlich auf dem Altbewährten liegen. Sonst laufen die Marketingverantwortlichen Gefahr, dass die Innovation auf der Strecke bleibt und der fortschrittlich veranlagte Kunde nicht mehr optimal erreicht wird. OnlineMarketer können sich glücklich schätzen, wenn sie Neues ausprobieren und dabei auch mal Fehler machen dürfen. Wenn sie ermutigt werden, aus ihren eigenen Fehlern zu lernen, um die beste Strategie für ihr Geschäft oder ihren Auftraggeber zu finden. Am besten funktioniert das nach dem von Coca-Cola bekannten Prinzip 70:20:10. Dabei sollten die Marketer 70 % ihrer Ressourcen in risikoarme bereits getestete und funktionierende Maßnahmen investieren. Weitere 20 % werden für Optimierung und Erweiterung von Konzepten verwendet, die bereits gut funktionieren, möglicherweise aber noch mehr Erfolgspotenzial bergen. Die restlichen 10 % gehen für völlig neue Ideen drauf, die nach einem erfolgreichen Test eventuell in den Marketing-Mix des Unternehmens dauerhaft in-tegriert werden können. Schwarz-Weiß-Denken bringt keine Vorteile. Eine offene und aufrichtige Fehlerkultur ist für jedes Unternehmen unent-behrlich, das in Zeiten der digitalen Transformati-on überleben und erfolgreich werden möchte. In der Fülle der Möglichkeiten geht es nicht mehr um richtig oder falsch. Jede Marketingmaßnahme in der digitalen Welt birgt sowohl Risiken als auch Chancen. Eine Erhöhung der Versandfrequenz ei-nes Newsletters könnte zur kurzfristiger Umsatz-steigerung führen, wird aber möglicherweise gleichzeitig die Wahrnehmung der Marke lang-fristig negativ beeinflussen. Die Interaktion mit den Kunden in sozialen Netzwerken bindet Res-sourcen, macht angreifbar und lässt sich in Um-satzzahlen nicht direkt abbilden, kann aber dazu führen, dass der Pool der Stammkunden immer größer wird. Die Hauptaufgabe eines Marketers ist es daher, die Pros und Kontras umfassend ab-zuwägen, um die richtige Entscheidung zu treffen. Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Newslet-ter-Versand? Welcher Zielgruppe soll die Banner-werbung gezeigt werden? Wie hoch darf das Ge-bot für die Suchmaschinenanzeige sein? Diese und weitere Fragen brauchen einen offenen Blick, Einfühlungsvermögen, Mut und Risikobereit-schaft: Soft Skills, die in einem modernen Marke-ting-Team nicht fehlen sollten. Den Jagd-Instinkt in sich entdecken. Der moderne Marketing-Spezi-alist soll weiterhin sammeln. Aber maßvoll. Er muss mit seiner Energie und Aufmerksamkeit gut haushalten. Er benötigt beide für den Zeitpunkt, wenn die Jagd nach einem geeigneteren Erfolgs-instrument für seine Marketing-Strategie beginnt. Die aktuellen Trends und Analysen liefern hier ei-nen guten Anhaltspunkt. Und die Jagd erfolgt am besten in vier Etappen: Ausfindig machen, beob-achten, abwägen, Vorauswahl treffen: Ist es die richtige Maßnahme? Was bringt sie und welche Gefahren birgt sie? Konzeptionieren und durch-führen: Was muss beachtet werden? Welche Leistungskennzahlen sollen während der Laufzeit und welche nach der Aktion kontrolliert werden? Optimieren: Was könnte noch besser gestaltet werden? Worauf kann verzichtet werden? Was wäre noch notwendig, um den Erfolg zu steigern? Eine Entscheidung treffen, die gegebenenfalls re-vidiert werden kann: Ist die Maßnahme für das eigene Unternehmen sinnvoll und soll sie dauer-haft einen Platz im aktuellen Marketing-Mix fin-den?